Dieselgate und seine Tücken
Dieselgate und seine Tücken

Dieselgate und seine Tücken

Ich bin Pendler. Damit ist gemeint, daß mein Wohn- und Arbeitsort nicht in der gleichen Stadt liegen. Mit Ausnahme meiner Ausbildungszeit und der anschließenden Übernahme für zwei Jahren im Ausbildungsbetrieb, war ich also Zeit meines ca. 20-jährigen Arbeitslebens immer Pendler. Mal waren die Arbeitsorte näher an meinem Wohnort und mal fühlte es sich wie eine kleine Weltreise an. Das Auto ist also durchgehend relevant für mich gewesen.

Seit nunmehr 13 Jahren arbeite ich bei einem Unternehmen aus dem Kreis Gütersloh, welches über diesen Kreis verteilt (und nicht nur dort) mehrere Standorte unterhält. Aufgrund des eher suboptimalen ÖPNV-Angebots war ich de facto auf das Auto angewiesen. Ich war es also gewohnt, daß ich morgens mit meinem Kaffee ins Auto stieg und 30-45 Minuten später nach einer Fahrt über Bundesstaßen und die Autobahn bei meiner Arbeitsstelle ankam.

Ich habe auch nicht weiter über Alternativen nachgedacht, da sowohl die Fahrtkosten mit dem ÖPNV als auch die Fahrtdauer fernab des erträglichen Maßes lagen (45 Minuten mit dem Auto gegenüber rund 2 Stunden mit Bus und Bahn). Außerdem hat man im eigenen Auto ja immer einen garantierten Sitzplatz und muß sich nicht auch noch mit irgendwelchen sinnfreien Gesprächen der Sitznachbarn ungewollt befassen. Von irgendwelchen Ausdünstungen in der wärmeren Jahreszeit gar nicht erst zu reden. Mein Auto hat eine Klimaanlage und ist sowieso viel bequemer und pünktlicher als ein Bus oder die Bahn.

Insgesamt habe ich das Autofahren immer als entspannend und erholsam empfunden. Ich gehöre übrigens nicht zu den notrischen Dränglern und/oder Bleifüßen. Autofahren bedeutet für mich immer auch Entspannung. Es gab also keinen Grund an dem bestehenden Prozedere etwas zu ändern. Die Bequemlichkeit obsiegte. Für den Moment.

Das Umdenken

Ich hatte mich schon zuvor öfter mit dem Gedanken befasst, das Auto einfach mal stehen zu lassen und statt dessen mit Bus und Bahn ins Büro zu fahren. Gelegentlich habe ich das sogar gemacht. Aber irgendwie hat mich das nicht wirklich überzeugt und ich bin recht schnell wieder zum Auto zurückgekehrt. Stellenweise fielen Züge aus oder hatten gravierende Verspätungen oder der Anschluß an den Bus klappte nicht problemlos. Irgendwas war halt gefühlt immer. Es war natürlich immer auch gefühlt so, daß es immer dann Verzögerungen gab, wenn man es etwas eiliger hatte oder das Wetter mal so richtig sub-optimal war. Gefühlt. Faktisch lässt sich das natürlich nicht unbedingt aufrechterhalten.

Im Laufe des letztens Jahres wurde es bei der Arbeit immer stressiger und anstrengender. Dazu kam noch, daß ich immer öfter immer früher anfing und später Feierabend machte. Zudem war ich beruflich mindestens einmal die Woche beruflich in Hannover, was die Tage nun auch nicht kürzer werden ließ und ich immer wieder und immer öfter sehr müde ins Auto stieg. Kurzum: ich war mir irgendwann nicht mehr sicher, ob ich nach einem langen Arbeitstag noch garantiert die Konzentration aufbringen könnte, um sicher über die Straßen in die Heimat zu fahren. Als mich dann der Streß komplett erwischt und außer Gefecht gesetzt hatte, habe ich den Entschluß gefasst umzusteigen. Vom Auto auf den ÖPNV. Aus Vernunftsgründen.

Nun ist die Verbindung zwischen Ahlen und Gütersloh keine Weltreise und die Zugverbindungen äußerst komfortabel. Ein Regionalexpress und eine Regionalbahn bedienen die Strecke in rund 30-minütigem Wechsel. Wären die Busanbindungen nicht ausschließlich auf die Verbindungen in Richtung Hamm und Ruhrgebiet optimiert, könnte man sogar vom Bus ohne große Wartezeit in den Zug umsteigen. Das wäre dann schon geradezu paradiesisch. Vor allem im Winter. Der Ahlener Bahnhof zeichnet sich aktuell nicht gerade durch sonderlich viele Möglichkeiten für Reisende aus, die hier rund 20 Minuten Zeit verbringen (müssen). Es gibt einen kleinen Zeitungs- und Buchladen sowie seit wenigen Monaten einen kleinen Kiosk. Letzterer bietet immerhin heißen Kaffee an. Ein Fortschritt. Wenn auch nur ein kleiner.

Unterm Strich aber hat sich die Umstellung gelohnt. Tatsächlich bin ich auch nicht so sehr viel länger unterwegs als mit dem Auto. Dafür habe ich sehr viel mehr an Bequemlichkeit gewonnen. Ich kann gemütlich im Zug sitzen, meinen Kaffee trinken und dabei ein Buch oder Nachrichten lesen. Im Falle eines Falles kann ich mich auch in eine (berufliche) Telco einwählen und sogar arbeiten. Das alles bei einer Fahrzeit von gut 20 Minuten. Fahre ich beruflich weiter nach Hannover oder zu anderen Standorten erhöht sich diese bequeme Zeit sogar. Klingt komisch, ist aber so.

Sogar mit finanziellem Vorteil

Es ist aber nicht nur so, daß ich deutlich bequemer und produktiver unterwegs sein kann. Ich spare tatsächlich durch die Umstellung auch noch bares Geld. Wichtig ist hierbei zu beachten, daß ich lediglich die Kosten für Benzin denen für das (rabattierte) Firmenabo gegenübergestellt habe. Der reguläre Preis für eine Monatskarte der Preisstufe 6 beträgt aktuell im Einzelkauf €209,60 und €170,10 im Abo. Der Unterschied zum Firmenabo beträgt noch mal rund 30 Euro. Das bedeutet also, daß man bereits beim Abschluß eines Abo Geld sparen kann. Bietet die Firma dann noch ein zusätzlich rabattiertes Abo an, steht einem Wechsel schon allein aus finanziellen Gründen nichts mehr im Wege.

Für mich persönlich sehen die Kosten im Vergleich wie folgt aus:


Monatskarte Preisstufe 6 (Ahlen <-> Gütersloh <-> Ahlen) im Firmenabo: €140,80 pro Monat

Benzinkosten (Super E10) für die gleiche Strecke: €187,20 pro Monat (1.800km bei einem Verbrauch von 8 Litern auf 100km und einem Durchschnittspreis von €1,30 pro Liter)


Nicht einkalkuliert habe ich die Kosten für Abnutzung und Verschleiß. Diese müssten bei einer vernünftigen, soliden Kostenrechnung ebenfalls mit berücksichtigt und einkalkuliert werden und würden somit das Ergebnis wohl noch ein wenig weiter zugunsten des Zuges verschieben. Das hätte ich so tatsächlich nicht erwartet.

Aufgrund der fragmentierten ÖPNV-Lösungen in Deutschland wäre es durchaus verwegen anzunehmen, dass es in vielen oder gar allen Teilen dieses Landes analog liefe bzw. zu kalkulieren wäre. Immerhin zeigt aber dieses Beispiel, dass die These „mit dem Auto fährt man (monetär) günstiger“ nicht grundsätzlich zu halten ist.

Fazit

Gerade Deutschland hat sich aufgrund seiner Historie sowie durch seine zentrale Lage im Herzen Europas schon beinahe zwangsläufig zu einem Land entwickelt, in welchem Mobilität und Auto die beiden Seiten der gleichen Medaille darstellen. Grundsätzlich kann man diesem nicht viel entgegenhalten: zuerst gab es die Autobahnen und danach kamen erst die Fahrzeuge, die diese befuhren. Massenhaft. Und es werden auch nicht weniger von Tag zu Tag.

Dennoch muss früher oder später auch in Deutschland die Moderne mitsamt der Realität Einzug halten. Wir leben tatsächlich in einer Zeit, in der die Ressourcen für diese Form der Mobilität immer knapper werden. Wir leben in einer Zeit, in der eben nicht nur monetäre Faktoren zu berücksichtigen sind, sondern auch solche wie Feinstaubbelastung, Ausstoß von Stickoxiden oder die CO²-Bilanz. Diese Faktoren sind mitunter nicht so einfach zu ermitteln – das sollte uns aber nicht davon abhalten, es dennoch zu versuchen und so schlussendlich die Gesamtkosten für Mobilität zu ermitteln. Erst damit sind bewusste Entscheidungen für die Mobilitätskonzepte der Zukunft möglich. Dafür bräuchte es dann auch die echten Verbrauchs- und Schadstoffwerte der Autobauer.

Das Automobil ist so erfolgreich, daß es nur einen wirklichen Feind hat, nämlich sich selbst. Seine massenhafte Verbreitung ist eine Herausforderung an die Zukunft des Straßenverkehrs.

Eberhard von Kuenheim, Vorsitzender des Aufsichtsrates der BMW AG

Wir können nun auch gern Dieselgate noch weiter emotionalisieren und auf die bösen deutschen Autobauer verbal einprügeln, uns empören oder, wie kürzlich der bayrische Ministerpräsident, Steuervergünstigungen für Dieselfahrzeuge ins Spiel bringen. Man kann sich sogar exzessiv darüber auslassen, dass man nicht „ans Auto“ gehen sollte, da daran so dermaßen viel Geld, viele Steuern und Arbeitsplätze hängen. Stimmt. Aber wie zukunftssicher ist all dies in Anbetracht von Dieselgate und dem Auto-Kartell? In Deutschland mag das nun alles nicht die ganz großen Konsequenzen nach sich ziehen (siehe auch den einleitenden Text ganz oben). Außerhalb Deutschlands sieht das schon etwas anders aus. Und auch die Europäische Union wird sich früher oder später aktiv einmischen und verschiedene Prozesse anstoßen, die wiederum zu ungewollten Effekten führen können.

Tatsächlich aber vergessen wir bei all dem mehr oder minder populistischem Getöse mehrere Punkte:

  • Mobilität und Auto sind eben nicht exklusiv die beiden Seiten der gleichen Medaille
  • Mobilität hat immer monetäre und ökologische Kosten
  • Die Rohstoffe sind nicht nur endlich, das Ende kommt sogar immer besser in Sicht
  • Mobilität mit dem Auto wird in Zukunft fundamental anders aussehen als heute
  • Die deutschen Autobauer haben ihren Innovationsvorsprung verloren
  • Mit dem Entfernen der illegalen Software bzw. Abschalteinrichtungen wird die Luft nicht sauberer

Man kann jetzt natürlich auch hergehen und die deutschen Automobilbauer seitens der Politik tätschelnd, tröstend in den Arm nehmen und nuscheln: entfernt softwareseitig einfach die Abschalteinrichtungen. Dann seid ihr zwar immer noch nicht innerhalb der gestzlichen Grenzwerte, aber dafür halt legal. Die Grenzwerte korrigieren wir dann noch etwas nach oben und schon sieht das alles viel besser aus. Damit es nicht so arg für euch wird, gibt es noch steuerliche Anreize für den Diesel.

Das ist dann allerdings auch einfach mal dreist. Daß sich allerdings kaum jemand über diesen Fakt echauffiert, zeigt wiederum, wie unwichtig es in diesem Kontext ist. Im Zeitalter, wo bspw. eine Verschleierung als Sicherheitsrisiko gesehen wird und gleichzeitig große, besorgte Emotionen weckt. Kann man mal so machen – wirft dann allerdings auch ein sehr bezeichnendes Bild auf die Wertigkeiten.

Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.

Wilhelm II., dt. Kaiser

Es müssen andere, zukunftsträchtige Wege gefunden werden. Das Elektroauto ist noch keine echte Alternative. Das war die Eisenbahn anfangs für die Postkutsche übrigens auch nicht.

Grundsätzlich gilt natürlich immer: Mobilität benötigt Energie und diese wiederum verursacht Emissionen. Direkte und indirekte. Beginnend mit der Rohstoffgewinnung für die Fertigung, über den Fertigungsprozess bis hin zur Entsorgung sowie der Wartung zwischendurch. Diese Bereiche gehören analysiert und die jeweiligen Kosten erarbeitet. Im Zeitalter der Hochleistungsrechner und bei gefühlt unendlichen Betriebswirten auf dem Markt sollte sich doch etwas machen lassen. Man muß sich konsequent an mögliche Konzepte machen. Für den ländlichen Raum ebenso wie für die urbanen Regionen und allem, was so irgendwie dazwischen liegt. Klar dürfte auch sein, daß es nicht das eine Konzept gibt, sondern viele verschiedene und daher flexible Lösungen, welche innerhalb eines Gesamtkonzeptes den notwendigen Rahmen bekommen.

Ergebnisoffen und auf keinen Fall auf der geradezu verhängnisvoll zwanghaften Suche nach Optionen rund um den Status Quo. Dieser ändert sich – nicht erst seit gerade – und ein technologisch so fortschrittliches Land sollte doch wohl in der Lage sein, diesen Wandel aktiv zu gestalten. Ach ja, die Mittel für die notwendigen Studien und Forschungen könnte man aus den Strafzahlungen der Automobilindustrie finanzieren. Die gesammelten Verfehlungen gehören nämlich sanktioniert. Solange bis die Autos rechtlich einwandfrei und die Höchstgrenzen für die Emissionswerte eingehalten werden. Jeden Tag. Je betroffenem Fahrzeug. Eine mögliche Sofortmaßnahme zur Reduzierung der Emissionen wäre übrigens ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen. Dadurch würde man nicht nur etwas für den Planeten tun, sondern auch einigen Menschen das Leben retten. Aber das ist noch mal ein ganz anderes Thema.

Schlußendlich müssen wir uns Gedanken über einen Wandel machen. Dieser betrifft aber nicht nur die Fertigung, sondern auch die Nutzung und das Selbstverständnis des Autos. Wir reden am Ende des Tages über fundamentale Gewohnheiten in puncto Mobilität/Auto, welche sich ändern müssen. Das geschieht nicht über Nacht. Ebensowenig trifft dieses auf die Technologie zu. Aber einen Anfang kann man machen. Lieber heute als morgen.

Ach ja, ich genieße das Zugfahren. Ich bin deutlich entspannter, lese wieder viel mehr und komme hin und wieder in den Genuß ein paar schöner Impressionen von unterwegs. Und die Bahn ist deutlich besser und pünktlicher als ihr Ruf 😉